// christoph

Sächsische Gipfelstürmer

In ihrem Kurzfilm „Simply the Worst“ erzählen die beiden Filmemacher Johannes Kürschner (27) alias Günther und Franz Müller (29) alias Hindrich die Geschichte zweier Bastel- und Bierfreunde, die sich trotz schmalem Budget mit Trabi und Oldschool-Ausrüstung auf zum Gipfel der sagenumwobenen „Lomnitzer Scharte“ machen. Ihre Spezialität: breitestes (Fäkal-)Sächsisch, gepaart mit aberwitzigen Untertiteln.

Mit ihrem 20-minüter haben die beiden ostdeutschen Nachwuchshoffnungen national und international auf sich aufmerksam gemacht und waren 2016 sogar für den Deutschen Kurzfilmpreis nominiert. Auch am deutschen Kurzfilmtag am 21.12. wird der Film in verschiedenen Städten gezeigt. Wir haben mit den beiden Regisseuren über ihren besonderen Humor, unabhängiges Filmemachen und die Bedeutung des Kurzfilmtags gesprochen.

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Günther und Hindrich: Gipfelstürmer mit fragwürdiger Ausrüstung

 

Johannes und Franz, ihr lieft mit „Simply the Worst“ auf Festivals rauf und runter. Wie fühlt ihr euch als Stars der Szene?

Johannes Kürschner: Also als Stars der Szene fühlen wir uns nicht, weil der Film auf so vielen Festivals eben NICHT gezeigt wurde. Die Berlinale hat ihn zum Beispiel komplett ignoriert.

Franz Müller: Trotzdem hatte der Film schon eine heftige Durchschlagskraft. Wir waren auf etlichen Festivals und da ist man dann schon überwältigt, wenn man dort auf der Bühne steht.

Der Film hat aber nicht nur die deutschen Jurys überzeugt, er lief auch bei Kurzfilmfestivals im Ausland, z.B. in Rom und Los Angeles. Warum, glaubt ihr, funktioniert euer „Dialekt-Humor“ auch bei Leuten, die überhaupt kein Deutsch sprechen?

F.M.: Im Ausland funktioniert der Dialekt-Humor natürlich nicht. Das, was zieht, ist wohl der Humor, den wir im Bild schaffen, zum Beispiel, wenn etwas explodiert oder umfällt. Da kann man auch den Ton ausmachen und man lacht trotzdem.

Selbst wer euch noch nicht kennt, trifft in „Simply the Worst“ auf ein bekanntes Gesicht. In einer kleinen Rolle spielt Comedian Olaf Schubert einen tschechischen Polizisten. Wie seid ihr denn an den rangekommen?

J.K.: Das ging über einen Fotografen, der uns für die Zeitung geknipst hatte. Der hat Olaf informiert per SMS. Und dann gab’s eine Pressekonferenz für seine MDR-Sendung und dort haben wir ein persönliches Gespräch mit ihm geführt und er hat direkt zugestimmt. Er war supercool.

Simply the Worst“ wurde durch Crowdfunding finanziert. Könntet ihr überhaupt Filme machen, wenn es diese Geldquelle nicht gäbe?

J.K.: Also „Simply the Worst“ hätte ohne Crowdfunding nie gemacht werden können, weil wir dadurch immerhin 6.800 Euro zusammenbekommen haben. Allerdings ist so ein Film, der ja auch im Ausland gedreht wurde, nur mit diesem Geld gar nicht finanzierbar. Da haben wir schon selbst auch noch reingesteckt. Ich habe sogar ein Auto gekauft dafür.

F.M.: Unser neuer Film ist öffentlich gefördert. Crowdfunding lassen wir deshalb diesmal komplett weg. Trotzdem bleibt es ne super Sache. Es geht aber auch ganz ohne Geld, wie man bei unserem ersten Film „SIMPLYclever“ sieht. Den haben wir einfach frei Schnauze gemacht.

Johannes Kürschner (Mitte) und Franz Müller (rechts) in "Simply the Worst"

Günther und Hindrich mal ganz nachdenklich

 

Ihr macht bei euren Filmen ja praktisch alles selbst: Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt und die Hauptdarsteller seid ihr auch noch. Habt ihr einfach keine Freunde, die euch helfen wollen oder warum ist das so?

F.M.: Wir hatten auch bei „Simply the Worst“ Freunde dabei, die uns geholfen haben: beim Tragen von Requisiten, Kabel halten, Making-of-Kamera, Strom anschalten etc. Aber Regie, Kamera, Drehbuch und Schnitt, das sind ja die wichtigsten Faktoren, die einen Film beeinflussen. Nachdem wir die ersten beiden Filme allein gedreht haben, haben wir es uns ein bisschen zum Dogma gemacht, alles selbst durchzuziehen. Weil es eben doch viel ausmacht, wenn das alles aus einer Hand kommt. Deswegen sind die Filme so, wie sie sind.

Obwohl es so großartige Kurzfilme gibt, kann man sie praktisch nur im Internet anschauen (wenn man weiß, wo man suchen muss). Macht es euch manchmal wütend, dass sich zum Beispiel Kinos oder das Fernsehen so wenig dafür interessieren?

J.K.: Ja klar. Kurzfilm müsste eigentlich im Kino vorm Film laufen, anstelle dieser sinnlosen Werbung für Haarbürsten und Nagellack usw.

F.M.: Man muss bloß als Kinobetreiber den Schritt gehen und sich sagen: Am Donnerstag um 20 Uhr laufen eben fünf Kurzfilme und nicht der neue Stallone. Ich denke auch, dass das bei den Leuten gut ankommen würde.

J.K.: Was das Fernsehen angeht: Mir platzt der Kragen bei Sendern wie dem MDR, der sich als der „Samariter des Kurzfilms“ aufspielt, aber dir für eine siebenjährige Nutzung deines Films nur nen Appel und nen Ei bezahlt.

F.M.: Find ich sehr schade. Auch beim Sendeplatz greifen wir uns schon an den Kopf: Wer ist denn bitte um ein Uhr morgens noch wach?!

Kann so ein bundesweiter Kurzfilmtag etwas an diesem Desinteresse ändern?

J.K.: Ich denke schon, dass die Leute mit einem Grundinteresse an Kultur mit so einem Tag schon erreicht werden können. Verschiedenste Kinoveranstaltungen mit Kurzfilmen sind eine gute Gelegenheit, um den Leuten zu zeigen: Es geht was! Aber solange der Kurzfilmmacher von seinem Schaffen nicht leben kann, bleibt alles schwierig. Was man für sein Werk aushandeln kann bei einem Kurzfilmtag, das ist schon eher wie der Tropfen auf den heißen Stein.

Was wünscht ihr euch in Zukunft für unabhängige Filmemacher wie euch?

J.K.: Die Filmemacher müssten anständig bezahlt werden. Ich würde einen Fördertopf aufmachen, um finanzielle Anreize zu schaffen. Förderanträge müssen leichter gestaltet werden, so, dass man dafür nicht BWL studiert haben muss. Das würde auf jeden Fall deutlich mehr Kultur schaffen.

F.M.: Eine „GEMA für Kurzfilme“ wäre vielleicht eine Idee. Generell müssen die Sachen viel mehr in Kinos laufen. Ich könnte mir Kurzfilme sogar auf privaten Fernsehsendern vorstellen.

Johannes und Franz, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

Das Interview führte Christoph Matiss.

Mehr über die beiden Filmemacher erfahrt ihr auf https://www.facebook.com/simplyworst und vimeo.com/makivisual.

Mehr über den bundesweiten Kurzfilmtag mit über 200 Veranstaltungen am 21.12. gibt’s unter www.kurzfilmtag.com. Warum ihr unbedingt kommen solltet, erklärt euch nochmal Meret Becker:

 

// theresia

Interview mit Fachjurorin Michaela Linow: „Es war das erste Mal, dass mich Experimentalfilme richtiggehend positiv angesprochen haben!“

Jury_Michaela Linow

Für unsere Fachjurorin Michaela Linow konzentriert sich die Handlung eines guten Kurzfilms auf das Wesentliche. Was sie uns sonst noch über ihre Beziehung zum Kurzfilm und ihre Juryarbeit erzählt hat, könnt ihr hier nachlesen:

cellu l‘art: Wie bist du zum Medium Film gekommen?
Michaela: Ich habe eine Ausbildung beim Mitteldeutschen Rundfunk als Medienkauffrau gemacht und mir danach überlegt, was ich denn jetzt nach dieser Ausbildung anfange, ob ich mein Leben bei diesem Sender verbringen möchte – und mich entschieden: nein, möchte ich nicht (lacht). Ich habe mich dann an der Filmhochschule in München beworben und dort Produktion und Medienwirtschaft studiert, was mein Faible für Fernsehen um das Faible für Film erweitert hat.

cellu l‘art: Du bist dann nach dem Studium in München nach Erfurt zurückgekommen: Was waren die Gründe dafür?
Michaela: Ich bin gebürtige Erfurterin, quasi eine richtige Puffbohne. Im Jahr 2005 herrschte hier so eine tolle Aufbruchsstimmung: Thüringen sollte Kindermedienland werden, das KinderMedienZentrum wurde gebaut. Es war einfach tierisch was los in Thüringen und ich hatte totale Lust, dabei mitzuwirken. Das Gelernte wieder in meine Heimat zurückzubringen und hier umzusetzen. Und zum anderen auch der Liebe wegen – das hat ganz gut zusammengepasst zu dem Zeitpunkt.

cellu l’art: Welche Bedeutung hat das cellu l’art Festival für dich?
Michaela: Ich finde Kurzfilmfestivals grundsätzlich sehr wichtig und geeignet, um jungen und talentierten Nachwuchsregisseuren oder Filmemachern im Allgemeinen eine Plattform zu bieten, sich einem – gerade bei Kurzfilmfestivals -, oft sehr kritischem Publikum zu präsentieren. Am cellu l’art im Speziellen gefällt mir die Internationalität. Ich finde die Idee mit dem Länderschwerpunkt sehr super und vor allem die Qualität der eingereichten Filme.

cellu l’art: Was macht für dich einen guten Kurzfilm aus?
Michaela: Für mich ist ein guter Kurzfilm ein Film, der sich in der Handlung auf das Wesentliche konzentriert. Das ist ja bei Kurzfilmen gerade so spannend, dass man durch die Verknappung  eine Sicht auf die Dinge abstrahiert darstellt, ohne eine Fülle von Nebenschauplätzen. Eine tolle Dramaturgie ist wichtig, innerhalb kurzer Zeit einen Spannungsbogen aufbauen zu können. Dazu kommt ein Kurzfilm auch stilistisch oft mit viel weniger Mitteln aus und kann mit diesen einfachsten Mitteln auf intensive Art und Weise oft mehr erzählen als ein Langfilm. Das fasziniert mich immer wieder.

cellu l’art: Bei unserem Festival haben wir sehr viele unterschiedliche Genre dabei: Von Experimentalfilm bis Dokumentation. Hast du ein Genre, das dir besonders gut gefällt?
Michaela: Ich bin der klassische Spielfilmliebhaber. Mit Experimentalfilm tue ich mich, zugegebenermaßen, oftmals ein bisschen schwer. Wobei die Experimentalfilme, die ich bisher gesehen habe, auch erstaunlich gut sind. Das meine ich mit der Qualität der für den Wettbewerb ausgesuchten Filme – die ist beim cellu l’art echt super. Es war das erste Mal, dass mich Experimentalfilme richtiggehend positiv angesprochen haben!

cellu l’art: Also wirkt sich die Arbeit als Filmproduzentin auch auf die Entscheidung aus?
Michaela: Man muss natürlich versuchen, bei der Bewertung der Filme irgendwie objektiv zu sein und darum bemühe ich mich auch. Ich habe mir mein eigenes kleines Bewertungssystem erarbeitet, um nicht nur nach persönlichen Vorlieben zu urteilen. Auch wenn ich bestimmte Genre grundsätzlich lieber mag als andere, versuche ich alle gesehenen Filme neutral auf ihre Machart und ihre Intention hin zu bewerten.

cellu l’art: Vielen Dank!

// nadine

„Autor sein ist eine nette Umschreibung für Arbeitslosigkeit“ Irische Filmkunst – im Gespräch: Helen Flanagen

Nach drei erfolgreichen Festivaltagen blicken wir gespannt ins Wochenende. Neben einigen filmischen Leckerbissen (⇓ ⇓ NACH UNTEN SCROLLEN ⇓⇓ FÜR PROGRAMMTIPPS AM FREITAG) fordern wir euch heute erneut zum Tanz auf… nur dieses mal steppt der Bär die ganze Nacht…

party cellu lart
Kommt zur CELLU L’ART PARTY ins Theater Café! Dieses Jahr sorgen Shape & Skor Rokswell für fette Beats. House, Rap oder Funk – zwischen zappelnden Breakbeats und goldkettenverziertem Tunersoundtracks bringen die Jungs jeden Booty zum shaken.
* Alle Tanzwütigen mit einem cellu l’art Ticket (egal welcher Tag/Block) kommen für nur 3€ ins Theater-Café (regulärer Eintritt sind 5€) *

Neben unserem fünfteiligen internationalen Wettbewerbsprogramm habt ihr heut die Möglichkeit den Länderschwerpunkt 3 – Zwischen den Zeilen (20.30 Uhr) zu sehen. Apropos, irischer Länderschwerpunkt… in den letzten Tagen haben sich unsere irischen Filmemacher als besonders gesprächig erwiesen…

Helen Flanagan präsentierte am Mittwoch, zum Auftakt des Special-Programms ihren Film „An Cat“, der die tragische Geschichte von Mairtín nach dem Tod seiner Frau Kathy erzählt. Er verarbeitet alle Trauer und Einsamkeit im Umgang mit seiner geliebten Hauskatze. Im Gespräch mit Helen offenbarten sich einige Geheimnisse in der Entstehung des Films.

Nadine: Hast du zu deinem Film eine besondere Anekdote?
Helen: Es gab schon einige Momente im Filmdreh. Mit einer Katze zu arbeiten war sehr interessant. Die Katze war am ersten Drehtag wirklich sehr krank. Wir konnten, wegen ihrer Magenverstimmung, fast gar nicht mit ihr filmen. Der Katzentrainer nannte es explosive Diarrhö. In einer Minute sah die Katze gut aus und wenn wir mit der Kamera auf sie schwenkten schwitzte sie und ihr Fell war ganz feucht und ihr Blick fragte „Warum tut ihr mir das an?“
Die Arbeit mit der Katze war also etwas verrückt. Wenn wir wollten, dass sie sich setzt stand sie auf und wenn sie stehen sollte, setzte sie sich unvermittelt hin.
Nadine: Warum hast du eine Katze als tierischen Protagonisten ausgewählt?
Helen: Es war von Anfang an das Konzept eine Katze im Film darzustellen. Als ich zuerst die Idee hatte, dachte ich es wäre eine interessante Kombination – ein mürrischer alter Mann und eine Katze. Weil Katzen eben Arschlöcher sind.
Man kann an der Katze die Dynamik und Persönlichkeit der verstorbenen Ehefrau ablesen. Mit dem Film habe ich versucht das Klischee der alten Dame mit Katze zu brechen und eine gegensätzliche Darstellung zu erzeugen.
Nadine: Wie ist der Schauspieler am Set mit der Katze ausgekommen?
Helen: Sie haben sich gut verstanden, obwohl sie recht wenig Zeit zusammen hatten. Weil das Filmset so geschäftig war, mussten wir die Katze etwas abschirmen. Daher hatte die Katze ihr eigenes Zimmer. Niemand hatte ein Zimmer – aber die Katze.
Nadine: Du hast erzählt, dass du Drehbuchautorin bist. Was machst du im Moment?
Helen: Autor ist ein nette Umschreibung für Arbeitslosigkeit. Ich habe aber bereits eine Menge Skripte für Kurzfilme geschrieben. Ich hatte sehr viel Glück, dass sie alle für eine Förderung ausgewählt oder akzeptiert wurden. Ich habe bei 4 meiner Filme selbst Regie geführt.
Derzeit arbeite ich an einem Skript für meinen ersten Spielfilm. Die Idee durfte ich im letzten Jahr auf dem Filmfestival Galway Film Fleadh vorstellen und es kam wirklich gut an.
Nadine: Wie gefällt dir Jena?
Helen: Es ist wirklich schön. All die jungen Menschen und die kulturellen Möglichkeiten faszinieren mich.

Alle, die Helen noch näher kennenlernen wollen, sollten heute Abend zur cellu l’art Party ins Theater-Café kommen. Neben irischen Filmemachern erwarten wir im Laufe des Tages einige besondere Gäste. Verschafft euch am besten selbst einen Einblick.


ALLES KURZ UND KNAPP FÜR FREITAG (24. April)

18.00 Uhr_______Wettbewerb 2 – Familie Fatal
18.00 Uhr_______Jugendspecial – Polaris
18.30 Uhr_______Deutscher Kurzfilmpreis
20.00 Uhr_______Wettbewerb 3 – Grober Unfug
20.30 Uhr_______LSP 3 – Zwischen den Zeilen
22.00 Uhr_______Wettbewerb 4 – Still | Moving
22.30 Uhr_______Schockblock 2

– cellu l’art – Party im Theater Café ab 22 Uhr –
Shape & Skor Rokswell

// sebastian

Interview mit Sidney Martins: „Man sieht sofort: Das ist ein brasilianischer Film!“

Sidney Martins

Nach der feierlichen Eröffnung gestern Abend bei unserem Open Air, beginnt heute das eigentliche Festival. Das ist dieses Jahr im Volksbad Jena beheimatet. Los geht’s heute um 18 Uhr im großen Saal mit dem ersten Screening unseres ersten Wettbewerbsblocks „Härte und Bärte“. Unseren vollständigen Timetable findet ihr noch einmal hier.

Heute um 19 Uhr zeigen wir im kleinen Saal den ersten von drei Länderschwerpunkt-Blöcken. Die Wahl fiel in diesem Jahr auf Brasilien, ganz passend zur Fußball-WM im Sommer. Als quasi-Kurator hierfür konnten wir einen einschlägigen Experten für den brasilianischen Film gewinnen, den Schauspieler, Capoeirista und Chef des Berliner Filmfestes „Cine Brasil“, Sidney Martins.

Martins wurde 1967 in São Gonçalo, Brasilien geboren. Seit 1998 wohnt er in Berlin. 2005 gründete er die Produktionsfirma „Cinema Negro“, die zahlreiche Veranstaltungen mit Schwerpunkt auf Afro-brasilianischer Kultur organisiert.

Herr Martins, wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem cellu l’art?
Ich organisiere das CineBrasil schon seit 2005 und dann kam die Einladung zu dieser Zusammenarbeit. Über das CineBrasil habe ich langjährige Erfahrung mit der brasilianischen Botschaft und gute Kontakte zu Filmemachern. Als einer der aktivsten Brasilianer in dieser Richtung konnte ich deshalb helfen, passende Filme für das cellu l’art vorzuschlagen und zu beschaffen. Außerdem bin ich Mitglied der Fachjury.

Was zeichnet den brasilianischen Film aus?
Ich glaube, dass es keine besondere Stärke ist, es gibt keine Nach- oder Vorteile, aber man sieht, dass die brasilianischen Filme sehr brasilianisch sind. Das ist auch schlecht, weil sich im Ausland, in Ländern, die mit Brasilien nichts zu tun haben, oft kein internationaler Verleih findet. In Deutschland und Europa sieht man sehr wenige brasilianische Filme. Etwas mehr natürlich noch in Portugal, wegen der Sprache.
Gleichzeitig ist das aber auch das Schöne. Man sieht sofort: „Ach, das ist ein brasilianischer Film!“. Die Filme erzählen aus dem Leben und zeigen den Alltag. Es ist also selten, dass man denkt: „Dieser Film könnte auch in Schweden gemacht worden sein“ oder „diese Geschichte könnte auch in Deutschland passieren“. Ich finde es auch schön, dass zum Beispiel die Art zu Schauspielern und Regie zu führen nicht nur sehr südamerikanisch sind, sondern vor allem auch sehr brasilianisch. Das ist kein Vergleich zu anderen südamerikanischen Ländern, man merkt das auf jeden Fall, diese Kultur.

Worauf dürfen wir uns beim cellu l’art besonders freuen?
Etwas besonderes ist sicherlich „5x Favelas“. 5 kurze Filme, die von jungen brasilianischen Filmregisseuren gedreht wurden. Sie entstanden in einem Projekt, bei dem ein brasilianischer Regisseur ohne viel Geld eine kleine Filmschule in einer Favela gegründet hat. Nach 10 Jahren der Arbeit mit den Jugendlichen dort entstand dieser Film. Ein brasilianischer Produzent hat es geschafft, das Projekt der Jungs für Geld zu verkaufen und ihre Geschichten auf einer professionellen Ebene zu realisieren. Auch „Cine Brasil“ war an der Produktion beteilgt. Das ist für mich der schönste von allen Filmen, weil er von Jungs gemacht wurde, die vor 15 Jahren gar nichts hatten. Und 2011 hat der Film Brasilien sogar beim Filmfest in Cannes repräsentiert.

Die 5 Episoden von „5x Favelas“ laufen beim cellu l’art 2014 im Länderschwerpunkt Brasilien am Mittwoch, Donnerstag und Freitag, jeweils um 19 Uhr.

// lutz

Interview mit Gerd Reda: „Die Pornofantasie kippt ins Gegenteil“

Gerd Reda Herrmann cellu l'art 2013

Im Wettbewerbsblock III unter dem Motto „… Und nun zu etwas Terror“ (läuft heute noch einmal 20 Uhr) sorgte der Film „Herrmann“ um die Rache zweier Frauen an einem mutmaßlichen Vergewaltiger für Furore. Ein Grund, einmal mit Regisseur Gerd Reda darüber zu sprechen.

Gerd, wie kam es zur Idee für den Film?

Ich war früher Filmvorführer in einem Arthouse-Kino und habe dort eine Filmreihe mit japanischen Exploitation-Filmen gezeigt. Bei der Recherche zu einem Double Feature mit Pink-Filmen fielen mir sehr viele in die Hände, in denen Frauen gequält wurden, aber nur zwei, in denen das für Männer der Fall war. Da kam ich auf die Idee, einen Film zu machen, wo Frauen nicht nur Opfer sind, sondern das Verhältnis ambivalenter ist.

Welche Reaktionen wolltest du mit „Herrmann“ hervorrufen?

Ich will beide Geschlechter zum Nachdenken anregen mit einem mulmigen Gefühl, welches sich beim Schauen des Films einstellt. Jeder sollte sich fragen, was tief in ihm oder ihr vergraben liegt. Bei Frauen soll sich die Unsicherheit manifestieren, was passiert, wenn Männer etwas „zurückbekommen“  und Männer sollten auch ihr eigenes Handeln reflektieren.

Protagonist Herrmann lebt in einer realistischen Welt, die Frauen in den Latexanzügen rächen sich an ihm in einer künstlichen, sterilen. Hast du dies stilistisch bewusst eingesetzt?

Ja, denn ich wollte mit den Klischees brechen. Bei Vergewaltigung denkt jeder an einen dunklen Keller. Ein weißer Raum oder die Farbe Weiß wird eher assoziiert mit der Welt der Engel und der Unschuld, dies wird auf den Kopf gestellt. Auch mit Pornoklischees wird gespielt: Latex hat immer etwas Sexuelles, doch diese Pornofantasie, die in „Herrmann“ aufgegriffen wird, kippt ins Gegenteil.

Wie gefällt es dir als Gast auf dem cellu l’art?

Ich finde das wahnsinnige Engagement beeindruckend und was hier auf die Beine gestellt wurde. Leider zeigt die Presse nicht so viel Resonanz, das ist sehr schade. Jena ist auch eine schöne Stadt – und das ist nicht geschleimt, das meine ich wirklich.

Gerd, vielen Dank für das Gespräch!

// Bettina

Gestern: Die vorletzte Reise ins ferne Südkorea

Im Schillerhof lief gestern unser Länderschwerpunkt Block „Wellen und Welten“. Am Sonntag könnt ihr von 19.00h bis 21.30h ein „Best of“ von den Südkoreanischen Kurzfilmen sehen, die ihr ausgewählt habt. Außerdem bekommt ihr dann noch einmal die Gelegenheit unsere Fotoausstellung im Schillerhofcafé anzuschauen (Bild oben).

Wir hatten außerdem gestern die Ehre unseren Kurator Rami Al- Laham (Foto) bei uns zu haben. Nach den drei Filmblöcken, die bis jetzt in unserem Festival gezeigt wurden, treten hier und da schon einige Fragen auf. Nach einem intensiven Gespräch über kulturelle Hintergründe und die koreanische Filmszene schienen die Filme einem gleich viel näher zu sein.

Wir hoffen euch hat es genauso gefallen wie uns.

Noch einmal einen großen Dank an das Schillerhof Team, welche uns nicht nur bei der Technik immer zur Seite steht. Auch danken wir unseren großartigen Wettbewerbsjury die gestern ebenfalls im Schillerhof anwesend war.

Hier noch einmal der Trailer für euch von „Just friends“ – Der Film bei dem am Meisten gelacht wurde. Viel Vergnügen!

// Bettina

Blut, Geschrei, Verwirrung und Tod.

Unser gestriger Block „Nacht und Nebel“ im Schillerhof hatte es in sich. Während der Kurzfilme war unser gut besuchter blauer Saal fast durchgängig am Murmeln. Wenn man sich umschaute sah man große, aufgerissene Augen und hier und da Hände vor dem Gesicht.

Südkorea. Ein Land mit vielen Fassetten, vor allem deutlich gemacht in unserer Kurzfilmauswahl. Wie weit kann man gehen? Bei uns kam man bis jetzt im Länderschwerpunkt vom Lachen ins Staunen, von Verwunderung zu Verwirrung und von Entsetzen bis hin zur Sprachlosigkeit. (Foto aus: „Modern Family“ von Kim Kwang-bin, 2011)

Eine subtile Unruhe und unerwartete Gewaltausbrüche – wie lässt es sich damit umgehen? Genau dies wird unser heutiger Gast im Schillerhof uns beantworten. Unser Kurator Rami Al-Laham steht nach unserem heutigen Block „Welten und Wellen“ für Fragen zum Thema „Südkorea“ Rede und Antwort. Er hat uns bei unserem Länderschwerpunkt bereits viele Anregungen gegeben, kulturelle Fragen beantwortet und uns mit Fotos und Filmen versorgt. Auf seiner Homepage findet ihr weitere Infos zu allem was das koreanische Herz begehrt.

Was erwartet euch heute Abend noch? Ein weiterer Film von dem Animationskünstler Erick Oh. Er beschreibt sich selbst mehr als Künstler, nicht als einen Filmemacher. Seine Filme wurden bereits mehrfach ausgezeichnet und bei uns seht ihr heute seinen Film „Communicate„(2008). Damit es aber weiterhin spannend bleibt hier ein anderes Werk: „Symphony„(2008) – der Versuch gegen die Masse anzuschwimmen.

Wir wünschen euch ein wunderbares Sehvergnügen für den heutigen Tag. Und nach dem langen Sitzen im Kinosaal, steigt heute Abend unsere erste After- Film- Party im Volksbad! Viel Spaß!

// Bettina

Rückblick auf die Dokumentation von Renate Hong und Musik zur Einstimmung!

Am letzten Freitag durften wir, neben der Eröffnung der Fotoausstellung im Schillerhof, die Dokumentation „I hope to see you again“ sehen. Eine berührende Geschichte von zwei Studenten – Ok-Gun und Renate. Nach nur zwei gemeinsamen Ehejahren wurde Ok Gun von seiner Frau und den zwei Kindern getrennt und wieder zurück nach Nordkorea gerufen. Eine Trennung auf unbestimmte Zeit. Man spürte wie unser Kinosaal mitfühlte und am Ende ganz bedröppelt in den Sitzen saß. Im Anschluss hatten wir die Ehre Renate Hong Fragen zu stellen. Als dann hinter ihr Fotos auf die Leinwand projiziert wurden machten wir auf einmal ganz große Augen. Es waren Bilder von ihr und ihrem Mann.

Stolz erzählte Frau Hong uns, dass nach über 46 Jahren Trennung beide sich endlich wieder gesehen haben. Dies konnte nur durch das Rote Kreuz geschehen. Herr Hong ist wieder verheiratet und hat drei Kinder. Beide halten noch immer regelmäßig Kontakt. Es ist gewissermaßen ein sad-happy end. Aber Frau Hong sagte noch zum Abschluss: „Dies war die aufregendste und beste Zeit in meinem Leben.“

Dieser wunderbare Einstieg in unseren Länderschwerpunkt „Südkorea“ hätte schöner nicht sein können. Wenn ihr nicht wisst was alles in unserem Kurzfilmprogramm läuft, dann könnt ihr euch bei uns die Programmhefte schnappen und einen Blick hinein werfen!

HEUTE ABEND findet nun unser Festivalauftakt am Johannistor unter freiem Himmel statt! Ab 19h könnt ihr vorbei schauen – Eintritt frei! Nicht nur Kurzfilme, sondern auch Musik vom Feinsten erwarten euch! Hier ein Vorgeschmack von „A little Nothing

Wir freuen uns auf euch! Weitere Infos hier.

// lutz

cellu l’art 2011 – Interview mit Sebastian Marka

Interview“ war gestern mit drei Auszeichnungen der Abräumer des cellu l’art 2011. Bei der feierlichen Preisverleihung war Regisseur Sebastian Marka (rechts) anwesend und nahm die Preise entgegen. Wir sprachen mit ihm im höchsten Kino Jenas über seinen Film, Vorbilder aus Hollywood und deutsche Festivals.



cellu l’art: Sebastian, du hast auf dem cellu l’art 2011 gleich drei Preise gewonnen. Wie fühlst du dich?

Sebastian Marka: Das ist der Wahnsinn und eine riesige Freude für mich! Für mich persönlich ist es auch etwas Besonderes, weil mein Film bisher in Deutschland weniger gut angekommen ist. Auf Festivals in Australien, Mexiko und Indien hat „Interview“ schon gewonnen, auf dem in New York war er nominiert. Aber in Deutschland haben es unpolitische Genre-Filme wie eben auch „Interview“ schwer, Preise zu bekommen. Das sagt man auch in Filmkreisen.

Dein Film hat mich sehr an „Sieben“ erinnert. Hast du Regie-Vorbilder wie zum Beispiel David Fincher?

Mein großes Vorbild ist Darren Aronofsky. Er ist ein sehr guter und auch reduzierter Geschichtenerzähler – egal in welcher Form. Ob Thriller, Drama oder Epos: Er hat sich, was Genres angeht, nicht festgelegt und war neuerdings sogar für die Comicverfilmung „The Wolverine“ im Gespräch. Dabei setzt er gestalterische oder visuelle Stilmittel nach Art der Geschichte und zu ihr passend ein.
Zu „Sieben“: Er war einer der ersten Thriller, die den Plot-Twist am Ende in dieser Form eingesetzt haben. Unser Drehbuchautor Michael Proehl spielt bewusst damit, die Hommage an „Sieben“ war also durchaus beabsichtigt.

Was originelle Stilmittel und eine breite Streuung an unterschiedlichen Filmformen angeht: Kannst du dir zum Beispiel vorstellen, mal einen Dokumentarfilm zu inszenieren?

Nein. Ich halte das für wahnsinnig schwierig, dauerhafte Objektivität zu wahren. Das reizt mich auch gar nicht, weil ich Spaß an der Fiktion habe. Ich habe Kamera studiert und auch einmal bei einer Dokumentation gemacht. Dabei habe ich aber gemerkt, dass ich sehr darauf achte, was ich von welchem Standpunkt aus wie filme.

Kanntest du das Kurzfilmfestival cellu l’art vorher schon? Wie hast du zum ersten Mal davon gehört?

Ja, es hat mir etwas gesagt, weil ich das Festival auch im Kalender der AG Kurzfilm gesehen habe. Allerdings habe ich aus irgendeinem Grund zuerst gedacht, dass es in Straßburg stattfindet und nicht in Jena. Doch mein Kameramann Willy Dettmeyer war ja bereits am Mittwoch vor Ort, hat mich aufgeklärt und mir trotz seiner kritischen Art ein gutes Feedback eures Filmfests gegeben. Er hat sich bei euch wohlgefühlt.

Wie hat es dir persönlich bisher auf dem cellu l’art gefallen?

Ich bin ja erst seit heute [Samstag, Anm. cellu l’art] hier, aber auch mir gefällt es sehr. Hier findet man nicht ein zu einem Großteil aus Filmschaffenden und Intellektuellen bestehendes Publikum, wie auf vielen anderen Festivals, sondern viele Studenten. Generell herrscht hier eine gute Stimmung, es ist auch mit der Technik gut organisiert. Der einzige Kritikpunkt: Ich sehe gern Film auf Film, also auf 35 mm. Eine Digitalprojektion kommt dagegen auch in Sachen Klangqualität nicht ganz an. Ansonsten bin ich aber sehr zufrieden und fühle mich auch sehr wohl hier.

Sebastian, vielen Dank für das Gespräch!

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