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Interview mit Sidney Martins: „Man sieht sofort: Das ist ein brasilianischer Film!“

Sidney Martins

Nach der feierlichen Eröffnung gestern Abend bei unserem Open Air, beginnt heute das eigentliche Festival. Das ist dieses Jahr im Volksbad Jena beheimatet. Los geht’s heute um 18 Uhr im großen Saal mit dem ersten Screening unseres ersten Wettbewerbsblocks „Härte und Bärte“. Unseren vollständigen Timetable findet ihr noch einmal hier.

Heute um 19 Uhr zeigen wir im kleinen Saal den ersten von drei Länderschwerpunkt-Blöcken. Die Wahl fiel in diesem Jahr auf Brasilien, ganz passend zur Fußball-WM im Sommer. Als quasi-Kurator hierfür konnten wir einen einschlägigen Experten für den brasilianischen Film gewinnen, den Schauspieler, Capoeirista und Chef des Berliner Filmfestes „Cine Brasil“, Sidney Martins.

Martins wurde 1967 in São Gonçalo, Brasilien geboren. Seit 1998 wohnt er in Berlin. 2005 gründete er die Produktionsfirma „Cinema Negro“, die zahlreiche Veranstaltungen mit Schwerpunkt auf Afro-brasilianischer Kultur organisiert.

Herr Martins, wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem cellu l’art?
Ich organisiere das CineBrasil schon seit 2005 und dann kam die Einladung zu dieser Zusammenarbeit. Über das CineBrasil habe ich langjährige Erfahrung mit der brasilianischen Botschaft und gute Kontakte zu Filmemachern. Als einer der aktivsten Brasilianer in dieser Richtung konnte ich deshalb helfen, passende Filme für das cellu l’art vorzuschlagen und zu beschaffen. Außerdem bin ich Mitglied der Fachjury.

Was zeichnet den brasilianischen Film aus?
Ich glaube, dass es keine besondere Stärke ist, es gibt keine Nach- oder Vorteile, aber man sieht, dass die brasilianischen Filme sehr brasilianisch sind. Das ist auch schlecht, weil sich im Ausland, in Ländern, die mit Brasilien nichts zu tun haben, oft kein internationaler Verleih findet. In Deutschland und Europa sieht man sehr wenige brasilianische Filme. Etwas mehr natürlich noch in Portugal, wegen der Sprache.
Gleichzeitig ist das aber auch das Schöne. Man sieht sofort: „Ach, das ist ein brasilianischer Film!“. Die Filme erzählen aus dem Leben und zeigen den Alltag. Es ist also selten, dass man denkt: „Dieser Film könnte auch in Schweden gemacht worden sein“ oder „diese Geschichte könnte auch in Deutschland passieren“. Ich finde es auch schön, dass zum Beispiel die Art zu Schauspielern und Regie zu führen nicht nur sehr südamerikanisch sind, sondern vor allem auch sehr brasilianisch. Das ist kein Vergleich zu anderen südamerikanischen Ländern, man merkt das auf jeden Fall, diese Kultur.

Worauf dürfen wir uns beim cellu l’art besonders freuen?
Etwas besonderes ist sicherlich „5x Favelas“. 5 kurze Filme, die von jungen brasilianischen Filmregisseuren gedreht wurden. Sie entstanden in einem Projekt, bei dem ein brasilianischer Regisseur ohne viel Geld eine kleine Filmschule in einer Favela gegründet hat. Nach 10 Jahren der Arbeit mit den Jugendlichen dort entstand dieser Film. Ein brasilianischer Produzent hat es geschafft, das Projekt der Jungs für Geld zu verkaufen und ihre Geschichten auf einer professionellen Ebene zu realisieren. Auch „Cine Brasil“ war an der Produktion beteilgt. Das ist für mich der schönste von allen Filmen, weil er von Jungs gemacht wurde, die vor 15 Jahren gar nichts hatten. Und 2011 hat der Film Brasilien sogar beim Filmfest in Cannes repräsentiert.

Die 5 Episoden von „5x Favelas“ laufen beim cellu l’art 2014 im Länderschwerpunkt Brasilien am Mittwoch, Donnerstag und Freitag, jeweils um 19 Uhr.

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