Der Kurzfilm ist in Deutschland der HartzIV-Empfänger der Kulturindustrie. Stoffentwicklung und Produktion sind abhängig von Vollförderung seitens regionalen, überregionalen und bundesweiten Geldern. Auch gibt es keine ökonomische Struktur zur Verwertung des Kurzfilms – weder im Verleih, beim Abspielen oder auch letztendlich im Vertrieb. Blickt man in die Zahlen der großen Studie der AG Kurzfilm zur Situation des Kurzfilm in Deutschland, wird einen schnell klar, dass kaum eine Produktion – es sei denn ein Hobbyfilmer setzt extrem auf Lowbudget – ohne Fördergeld zum Erfolg geführt werden kann.
Fragt man sich nun wie diesem Aspekt entgegengewirkt werden kann, hört man schnell die Forderung, dass der Kurzfilm endlich wieder ins Kino gehört. Dort spielt er aber bereits seit Jahrzehnten keine Rolle mehr. Wenn nicht Vereine, Festivals und manch‘ ambitionierter Kinobetreiber eigenen Kurzfilmnächte veranstalten, gibt es den Kurzfilm bis auf speziellen Festivals und evt. noch mal bei Arte und 3Sat kaum zu sehen. Auch die Idee den Kurzfilm als kreatives Appetithäppchen vor einen Blockbuster zu servieren – also als klassischen Vorfilm – hat seine Probleme. Zunächst gehört es nicht zu der Erwartungshaltung des heutigen Publikums. Man hofft nach dem üblichen „Will noch jemand ein Eis?“, dass es möglichst schnell nach der Trailer-Schau auf den „gekauften“ Film zu geht und nicht noch fünf bis fünfzehn Minuten Verzögerung durch irgendein Kurzfilm eingefügt werden. Auch wird ein Vorfilm in Konkurrenz mit der Kino-Werbeindustrie treten müssen, klaut er doch die kurze und wertvolle Werbezeit und dabei – bedenkt man die Gewinnspanne in Lichtspielhäusern – eher schlechte Karten haben. Zudem kommt noch die Länge heutiger Langspielproduktionen hinzu. Wie auch die AG Kurzfilm-Studie erklärt hat sich der
ehemalige Richtwert für einen Langfilm hat sich von 90 Minuten auf stolze 120 erhöht. Der letzte Harry Potter Film brachte es auf eine Dauer von 157 Minuten, der letzte Teil der Herr der Ringe Saga gar auf 201 Minuten (die „extended version“ auf 251 Minuten!). Für die Multiplex-Kinos ergibt sich daraus zusammen mit dem Bestreben, die Abspielschienen von 15 Uhr / 17 Uhr / 20 Uhr / (22 Uhr) auf 14 Uhr / 16 Uhr / 18 Uhr / 20 Uhr / (22 Uhr) auszudehnen und Leerlaufzeiten zu vermeiden, eine fast völlige Unmöglichkeit von Vorfilmen. (aus: Kurzfilm in Deutschland – Studie zur Situation des kurzen Films [pdf])
Also wirklich schlechte Karten für eine Wiedergeburt des Kurzfilms als Vorfilm. Trotzdessen haben sich die AG Kurzfilm, KurzFilmAgentur Hamburg und interfilm Berlin dazu entschieden die Kampagne „Kurz vor Film“ zu starten. Die dreigeteilte Strategie setzt auf Prominente wie Katharina Thalbach oder auch Ulrich Matthes, die sich als Fürsprecher des Vorfilms zeigen, eine auf Social Media setzenden Kampagne, die mit einer Unterschriftenaktion verbunden ist, deren Ziel es sein soll, KinobetreiberInnen davon zu überzeugen, Kurzfilme als Vorfilme in ihr Programm aufzunehmen. Und zuletzt: Förderung. Kinobetreiber sollen durch Fördergelder bis zu 1500 Euro seitens FFA ihre Ausgaben (z.B. Verleih- und PR-Kosten) für den Kurzfilm als Vorfilm gegenfinanzieren dürfen.
Einerseits eine nette Maßnahme vor allem den Filmtheatern jenseits des Multiplex recht kostengünstig eine Programmerweiterung durchführen zu lassen, zugleich auch nicht ungeschickt seitens der drei großen Kampagnenschirmherren und Kurzfilmverleihern, das eigene Geschäft anzukurbeln. Trotzdem bleibt der Kurzfilm weiterhin der HartzIV-Empfänger der Kulturindustrie. Es kann natürlich mitgezeichnet werden. Mal sehen, ob demnächst ein paar Zahlen veröffentlicht werden und so der Erfolg der Kampagne beurteilt werden kann.
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