// Bettina

Die kurzen Momente des Lebens

Freitagabend 18 Uhr. Das Licht im Kinosaal 1 des Capitols dimmte ab und ein Spot zielte auf die Balustrade über den Köpfen der Zuschauer. Wie ein Pfarrer stand Christoph, einer der beiden Moderatoren des Wochenendes, im Lichtkegel und schwor die „Kurzfilm-Gemeinde“ auf die kommenden zwei Wettebewerbstage des 9. Jenaer Kurzfilmfestivals „cellu l’art“ ein. Als auf die Leinwand der erste Kurzfilm des Abends „Liebe Gemeinde“ projiziert wurde, wurde dem Publikum schnell der Bezug zur einführenden Rede deutlich. Es begann eine bunte Reise durch verschiedene Genres des Kurzfilms und es konnte gelacht, gezweifelt und getrauert werden.

Nach einer kurzen Unterbrechung des ersten Wettbewerbsblockes, konnte als erster Gast der Regisseur Aaron Lehmann des Films „Liebe Gemeinde“ auf der Bühne begrüßt werden. Mit seiner lockeren und humorvollen Art begeisterte er das zahlreich erschienene Publikum und gab bereitwillig mit vielen Anekdoten Auskunft über die Entstehung seiner Komödie. Da der Wahlberliner und Student der HFF Potsdam Babelsberg selbst vom Dorf stammte und über die Wünsche, aber auch Ängste der Dorfgemeinschaft gut Bescheid wusste, wollte er einen Film darüber drehen. Mit einer überspitzten, aber in keinster Weise bösartigen Darstellung, ist ihm das wunderbar gelungen.

Die erste Pause nach knapp zwei Stunden Film brachte die Möglichkeit, sich zu sammeln und die gewonnenen Eindrücke zu verarbeiten. Dem Publikum kam nun die Aufgabe zu, über seinen Favoritenfilm abzustimmen und den ausgefüllten Zettel am Ausgang in einen Kasten zu werfen. Im Eingangsbereich des Capitols konnte man sich austauschen, ein erfrischendes Getränk zu sich nehmen und gespannt sein auf den folgenden ersten Länderschwerpunkts-block Polen. Dank der Unterstützung durch das deutsch-polnische Institut in Leipzig und vieler renommierter Filmhochschulen in Polen, konnte ein reizvolles und qualitativ hochwertiges Programm geboten werden, in dem auch ein Kurzfilmklassiker „Talking Heads“ des polnischen Kultregisseurs Krzysztof Kieslowski zu sehen war.

Zu später Stunde füllte sich der Kinosaal zusehends. Weit über 100 Besucher drängten auf den Beginn des zweiten Wettbewerbsblocks. Um 22 Uhr starteten die letzten zwei magischen Stunden des Kurzfilms für diesen Tag. Anwesend war ebenfalls der Regisseur des Films „Adieu Bonjour“ Timo Hübsch. Er berichtete vor der Filmfangemeinde über die verschlungene Verknüpfung seiner männlichen Protagonisten, die sich in seinem Film auf dem Weg zu einem lebensverändernden Ereignis befinden. Mit Beifall ging der erste Wettbewerbstag zu Ende und das gesamte „cellu l’art“-Team konnte zuversichtlich auf den kommenden Tag blicken.

Samstagnachmittag 14:30 Uhr. „Nenn mich einfach Tobi B.“ von Felix Stienz, der schon zu ein fester Instanz auf dem Filmfest geworden ist, eröffnete den dritten Wettbewerbsblock. Wiederum wurde dem Publikum eine breite Palette an Themen aus dem Leben geboten, ob Spiel-, Animations- oder Dokumentarfilm, für jeden war etwas dabei. Der zweite Länderschwerpunktsblock Polen im Anschluss, gab den Zuschauern wiederum die Gelegenheit, einen Blick in die Filmkultur unseres östlichen Nachbarlandes zu werfen. Mit großen Schritten ging es nun auf die Zielgerade dieses Festivalwochenendes zu.

Um 18:30 Uhr öffnete sich der Vorhang zum letzten Mal und vor den Augen von über 250 Filmfreunden gingen die letzten neun Filmbeiträge in den Wettbewerb. Nochmals wurde das Programm kurz unterbrochen, um die anwesenden Regisseure von „Flamenco Surealisto“ Kai Stänicke und Katja Klüting sowie die Regisseurin Julia Schwarz („Nachts das Leben“) in Jena Willkommen zu heißen. Die Komödie von Kai Stänicke und Katja Klüting begeisterte das Publikum, welches mit Erstaunen wahrnahm, dass ein Mann ein Hella von Sinnen-Double spielte. Julia Schwarz konfrontierte das Publikum mit der Trauer eines Ehepaares über den Verlust ihres Kindes. Viele Fragen standen hier im Raum, die aber leider nicht alle beantwortet werden konnten.

Die Spannung war greifbar, denn es viel schwer, einen klaren Favoriten unter all den sehr starken Filmen ausfindig zu machen. Nachdem die Publikumsstimmzettel schnell eingesammelt wurden, bekam die vierköpfige Jury das Wort überlassen. Bedauerlicherweise fiel das fünfte Jurymitglied, Malgorzata Walczak, wegen Krankheit aus. Somit wurde die Siegerverkündung dem EB-Assistenten und Tonmann Sebastian Kutzli, der wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Lehrstuhl für „Geschichte und Ästhetik der Medien“ der FSU Jena Dr. Hedwig Wagner, dem Redaktionsleiter der Filmzeitschrift „Schnitt“ Daniel Bickermann und dem Festival Manager des Filmfestival Cottbus Andreas Stein zuteil.

Eine lobende Erwähnung erhielt der Kurzspielfilm „Das kleine Leben“ von Benjamin Entrup. Der 3. Platz ging an den Animationsfilm „have work“ von Jasmin Siddiqui, der zehn Frauen und ihre individuellen Bedürfnisse in der Arbeitswelt thematisiert. Den 2. Platz erhielt „Mars“ von Marcus Richardt, der die Coming-of-Age-Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zweier Mädchen erzählt. And the winner is: „Nachts das Leben“ von Julia Schwarz. Ihre tiefgründige und schmerzvolle, aber nicht übertriebene Erzählweise über die Trauerbewältigung eines Paares, das den Verlust ihres Kindes verkraften muss, beeindruckte die Jury. Mit nicht weniger großen Erwartungen wurde anschließend der Publikumspreis bekannt gegeben. Und dieser ging an den zutiefst verstörenden, aber sehr beeindruckend gespielten Film „Sara“ von Basia Baumann. Ein kleines Mädchen rächt in den Wirren des Bosnien-Krieges den Mord an ihrer Familie.

Mit Sekt im Eingangsbereich des Capitol-Kinos ging das erfolgreiche 9. Jenaer Kurzfilmfestival zu Ende. Das „cellu l’art“- Team leistete Großartiges, um ein Filmfest auf die Beine zu stellen, das mit qualitativ hochwertigen Filmen bestach. Ein wunderbares und zahlreiches Publikum dankte es ihm. Und dieses wird hoffentlich wie das gesamte Team das zehnjährige Jubiläum von „cellu l’art“ im nächsten Jahr im Kino Capitol mit Spannung erwarten.

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