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Hamburg, meine Perle – Eindrücke vom 27. Internationalen Kurz Film Festival (IKFF) in der Hansestadt, Teil 1

Ich stimme Lotto King Karl absolut zu. Hamburg ist eine echte „Perle“ (im Norddeutschen  gern gebraucht für ‚Freundin‘, ‚Schnalle‘, ‚Alte‘, ‚Lebensabschnittsgefährtin‘, naja, ihr wisst schon…) und definitiv „‘ne Stadt, auf die ich kann“. Und nicht nur das. Sie bildet außerdem den Rahmen für eines der größten und wichtigsten Kurzfilmfestivals in unseren Breiten.

Pfeil nach unten? Nein, Hamburg macht Spaß!

Endlich hat es mal geklappt: Das cellu l’art war vertreten in Hamburg. Angenehmerweise nicht nur durch mich, sondern auch durch Jeanne. Die hat gerade eben ihre Arbeit an der Leuphana Universität in Lüneburg angetreten und sich fürs Wohnen im knapp 50 km nordwestlich liegenden Hamburg entschieden. Welch angenehmer Zufall… Da Jeanne arbeitsbedingt nur am Wochenende wirklich Zeit für die Filme hatte, wurde sie von den Veranstaltern kurzfristig kostenlos akkreditiert. Ein äußerst feiner Zug und einen ganz herzlichen Dank dafür!

Überhaupt sieht der Norddeutsche im Allgemeinen und der Hamburger im Speziellen viele Sachen ja etwas entspannter. So ist es dann z.B. möglich, dass man sich am Sonntagmorgen (na gut, eigentlich war es schon Nachmittag) zum Nulltarif einen äußerst üppigen Brunch einverleiben und sich mal so richtig satt essen kann. (An dieser Stelle sei nochmal ein großes Lob an den Koch der Gnocchi mit mediterranem Gemüse ausgesprochen!) Und so kommt man natürlich auch entspannt ins Gespräch mit so ziemlich Jedem: Filmemachern, Jurymitgliedern, anderen Festivals, AG Kurzfilm-Abgesandten und natürlich mit den Teammitgliedern. Und auch hier ist natürlich ein Dankeschön auszusprechen: Ihr wart toll! (Ein besonderer Dank geht an Alena für die Shuttle-Gelegenheit am Freitagabend.)

Es sind viele Menschen unterwegs bei einem Festival...

Ok, bevor die Lobhuddelei jetzt überhandnimmt, schnell weiter zum Eigentlichen – den Filmen. Unstrittig ist, dass das Programm des IKFF deutlich experimenteller ist als das, was man sonst häufig bei (deutschen) Festivals zu sehen bekommt. Ebenso unstrittig ist, dass man nicht mit jedem Experiment unbedingt Erfolg hat. So waren dann auch Filme zu sehen, deren Daseinsberechtigung im Internationalen Wettbewerb (bei dem aus immerhin fast 2.500 Einreichungen nur 41 ausgewählt wurden) nicht nur vom Autor angezweifelt wurde. Exemplarisch sei hier die Publikumsreaktion auf den finnischen Beitrag Stagecoach in Block 1 erwähnt, die zwischen Entgeisterung und der bekannten „Das is‘ jetzt nich‘ euer Ernst?!“-Verbalisierung schwankte. Der überwiegende Teil der Filme in den insgesamt acht IW-Programmen war aber stark und zum Teil herausragend. Der vielleicht beste von ihnen war Las Palmas von Johannes Nyholm aus Schweden, der von den Zuschauern verdientermaßen mit dem Publikumspreis gewürdigt wurde. Dabei erlaubt sich der Regisseur gleich mehrere Tabubrüche: Die Hauptdarstellerin ist eine Einjährige, die auch noch die eigene Tochter des Filmemachers ist; das Kleinkind „betrinkt“ sich, „randaliert“ und „raucht einen Joint“; „Brüste“ suggerieren, dass es sich bei dem Kind um eine Frau mittleren Alters handeln soll und alle anderen Figuren werden von Marionetten „dargestellt“. Das krude Experiment verfehlt seine Wirkung nicht: Die unbeholfenen Gesten des Kindes erinnern den Betrachter so sehr an erwachsene Pauschaltouristen, dass es beinahe schmerzt und so ziehen sich bittere Lachsalven über die kompletten 13 ½ Minuten voller filmischer Raffinesse.

Weitere erwähnenswerte Beiträge des Internationalen Wettbewerbs sind Pashmaloo / Hairy von der iranischstämmigen (und äußerst redseligen) US-Amerikanerin Ana Lily Amirpour, bei dem – von fetten deutschen (!) Hip Hop-Beats unterlegt – zwei iranische Mädchen darüber streiten, wie weit die Körperbehaarung bei Frauen gehen kann, sowie der großartig ausgeleuchtete und perfekt inszenierte The Kiss von Ashlee Page aus Australien. Was als Coming-of-Age-Geschichte beginnt, wird völlig überraschend zu einem packenden und zutiefst verstörenden Thriller. Seine Wirkung ließ sich überdeutlich in den Gesichtern der anwesenden und tief beeindruckten Regiekolleginnen Amirpour und Lena Liberta ablesen und es fiel sogar ein Tabuwort der Filmkritik: „A perfect film.“

Die wenigen Beiträge der anderen Wettbewerbe (das IKFF leistet sich mit dem Internationalen, dem Deutschen, dem NoBudget- und dem Flotter Dreier-Wettbewerb gleich vier; dazu kommen diverse Sponsorenpreise, u.a. von arte und zdf_neo, sowie der Mo- und der Friese-Preis des gleichnamigen KinderKurzFilmFestivals) konnten mich durchweg überzeugen. Besonders haften geblieben sind die Gewinner des Deutschen und des Flotter Dreier-Wettbewerbs: Heimat von Olaf Held weckt tatsächlich Heimatgefühle, vor allem für all diejenigen, die aus dem sächsischen Sprachraum stammen und der nur 43-sekündige Felix… von Anselm Belser lässt das Publikum ob seiner simplen wie bitterbösen Pointe in brüllendes Lachen ausbrechen.

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