// christoph

Hamburg, meine Perle – Eindrücke vom 27. Internationalen Kurz Film Festival (IKFF) in der Hansestadt, Teil 2

Reden wir über’s Drumherum. Ein Event des Rahmenprogramms muss bei einem Filmfestival in Hamburg natürlich unbedingt erwähnt werden (weil die Idee in Hamburg geboren wurde): A Wall Is A Screen.

Farbenpracht an Hausfassaden bei "A Wall Is A Screen"

Für alle, die es tatsächlich noch nicht kennen, hier eine kurze Erklärung: Ein paar lustige und äußerst flinke junge Leute in neongelben Westen rennen wie von der Tarantel gestochen mit einem Steelcase, einem Generator und Lautsprecherboxen einige Meter mitten durch eine Innenstadt, um abrupt vor einer Hauswand stehenzubleiben und dort mit dem im Steelcase befindlichen Beamer ein Bild an eben jene Wand zu werfen. Doch sie sind nicht allein. Wenige Sekunden später treffen nach und nach Horden von „Schaulustigen“ ein, die sich irgendwie in die letzten freien Zentimeter vor der Wand drängeln, um einen Blick auf den sogleich gezeigten Kurzfilm erhaschen zu können. Sobald der Film vorbei ist, geht die wilde Hatz von vorne los. Nun ist es natürlich so, dass bei einem gleichermaßen großen wie interessierten Publikum in Hamburg die Dynamik des Ganzen ein wenig gemindert werden muss, denn aus ein paar wenigen Schaulustigen werden hier schnell einmal 500. Die gewaltige Horde zog beim IKFF also eher gemächlich vom CCH (dem Hamburger Kongresszentrum) durch die Innenstadt bis zur Außenalster, an der die letzte Station des Rundgangs aufgeschlagen wurde. Passenderweise mit einem charmanten Reisefilm über Hamburg aus den 80er Jahren (vermutlich den frühen). Leider schien dem Generator der Film aber nicht ganz so gut zu gefallen, wie dem Publikum. Er versagte nach ein paar Minuten den Dienst. Egal, schön war’s trotzdem und zudem der passende Auftakt zu einer durchaus munteren Partynacht. Achja: Wer sich unter dem Konzept von „A Wall Is A Screen“ immer noch nichts vorstellen kann – was nach dieser ausführlichen Beschreibung wohl ziemlich unwahrscheinlich sein dürfte –, dem sei der 8. September empfohlen. An diesem Tag wird die Idee der „Kurzfilmwanderung“ seine Premiere in Jena feiern, wobei das cellu l’art wohl auch seine Finger im Spiel hat…

Regisseurin Lena Liberta ("Wie ein Fremder") mit Darsteller Ramin Yazdani beim Feiern nach dem Gewinn des Hamburger Publikumspreises

Aber jetzt erst einmal zurück nach Hamburg: Die Preisverleihung am Sonntagabend geriet zur One Woman-Show. Das pfundige Hamburger Original auf der Bühne war als Moderatorin mit Stimmgewalt und staubtrockenem Humor jederzeit in der Lage das Publikum trotz des etwas spröden Programmablaufs bei Laune zu halten. Ein paar weniger Preisvergaben (die Jury des No Budget-Wettbewerbs vergab allein vier Lobende Erwähnungen) und ein paar mehr bzw. längere Filmausschnitte hätten hier sicher gut getan, zumal auch die anwesenden Preisträger nicht zu den redseligsten ihrer Zunft gehörten. Entschädigt wurden die Zuschauer am Ende aber zumindest teilweise durch den grandiosen Teamfilm, der während der Festivalwoche eigens angefertigt und in Rekordzeit geschnitten wurde.

Den „Hamburger Kurzfilmpreis“ für den besten Film des Internationalen Wettbewerbs vergab mit Jan Harlan ein international äußerst renommierter Filmschaffender. Der Schwager Stanley Kubricks und ausführende Produzent bei Meisterwerken wie „A Clockwork Orange“, „Shining“ und „Full Metal Jacket“ versah die Verleihung mit seiner persönlichen Note und verlas die Jurybegründung von seinem Tablet-PC gleich auf Deutsch und Englisch. Der belgische Siegerfilm Pour toi je ferai bataille (For You I Will Fight) war stark, erschien ob seiner eher klassischen Inszenierung und recht konventionellen Coming-of-Age-Geschichte letztlich aber als typischer Kompromiss der fünf Jurymitglieder.

Unbedingt zu erwähnen sind auch die Locations des Festivals (gerade in Hinblick auf die katastrophale Situation, wie sie in Jena vorherrscht). Insgesamt fünf Kinos leistete sich das IKFF und konnte (zumindest in diesem Jahr) zudem auf ein Festivalzentrum zurückgreifen, nach dem sich wohl jedes Filmfestival dieser Erde seine Finger lecken würde. Die „Meisterwerkstatt“ in Hamburg-Bahrenfeld ist ein altes Fabrikgelände, von dem während der Festivalzeit vor allem Halle 7 genutzt wurde. Sie war zugleich Infocounter, Café, Club, Kino, Filmbörse und nicht zuletzt Treffpunkt für Kurzfilmbegeisterte aus aller Welt.

Die Zeise-Kinos in Hamburg-Ottensen, in denen die meisten Wettbewerbsprogramme zu sehen waren

Jeder Abend endete mit rauschenden Parties und mehreren musikalischen Live-Acts und DJs. Zusätzlich wurde von Freitag- bis Sonntagnacht im Keller des riesigen Gebäudes eine Horrorfilmrolle mit dem bezeichnenden Titel „Das Grauen kommt um Mitternacht“ für alle Gruselfreunde angeboten, die sich perfekt in die ohnehin angsteinflößende Atmosphäre des weitläufigen, dunklen Gemäuers einpasste. Im Innenhof gab es am Wochenende Open Air-Screenings mit verschiedenen Schwerpunkten (einer, nämlich „Film, Wurst und Bier“, war mir spontan ganz besonders sympathisch). Der Innenhof wurde zur Zubereitung von Grillgut und sogar Pizza genutzt und sorgte mit gefühlten 50 Bierbänken und Liegestühlen zudem für genug Sitzplätze. Zudem hatte allein die „Kantine“ im 2. OG, in der am Sonntagabend auch die Preisverleihung stattfand, eine Größe, die sie wohl für viele Kurzfilmfestivals zu einem mehr als akzeptablen Hauptspielort machen würde.

Fähnchen bei der Meisterwerkstatt

Die Fähnchen des IKFF wehen auf dem Gelände der "Meisterwerkstatt" - noch...

Leider – und das ist ja das Dilemma, dass gerade auch in Jena fast schon Tradition hat – ist die über eine Agentur gebuchte „Meisterwerkstatt“ eine Location, die für das Festival wohl nur in diesem Jahr zur Verfügung gestanden hat. Im ja ebenfalls nicht für allzu großen Häuserleerstand bekannten Hamburg wird sich das IKFF im neuen Jahr wohl wieder um eine zumindest ähnlich gute Lösung bemühen müssen. Zugegeben: Ein bisschen tröstlich ist das für ein kleines Festival wie das cellu l’art schon…

Auch auf die Gefahr hin, dass es pathetisch klingt: Hamburg war und ist ein weiterer eindrucksvoller Beweis dafür, dass nicht nur der Kurzfilm als künstlerische Ausdrucksform lebt, sondern gerade auch die Festivals, auf denen er einem größeren Publikum gezeigt wird. Sie erlauben ein Eintauchen in die Szene und das Gespräch mit den Filmemachern und Organisatoren und sorgen damit für eine entscheidend andere Facette für jeden, der sich selbst als Festival-Organisator bezeichnet. Kurzfilm ist (mindestens) bundesweit eng vernetzt und will man wirklich dazugehören, ist ein Besuch in Hamburg, Dresden, Berlin oder Oberhausen praktisch obligatorisch. Und Spaß macht er auch noch.

Schreibe einen Kommentar